
Die Gefährdungseinschätzung ist nicht einfach!

Wenn Anzeichen für eine potenzielle Kindeswohlgefährdung von den Kita-Fachkräften bei einem von ihnen betreuten Kind wahrgenommen werden – der Gesetzgeber spricht an dieser Stelle von gewichtigen Anhaltspunkten – muss die Gefährdungssituation von den Fachkräften eingeschätzt werden. Am Anfang stehen bei den Fachkräften häufig ein diffuses Bauchgefühl und erste Beobachtungen und Wahrnehmungen beim Kind und/oder seinen Eltern, die Anlass zur Sorge geben. In einer oftmals emotional fordernden Situation müssen die Fachkräfte ihre Beobachtungen schärfen und konkretisieren, um zu einem rationalen Urteil zu finden und handlungsfähig zu sein und zu bleiben.
In der Praxis taucht oft die Frage auf, was unter gewichtigen Anhaltspunkten für die Gefährdung eines Kindes zu verstehen ist.
Gewichtige Anhaltspunkte sind gegenwärtige, konkrete und tatsachengestützte Hinweise für eine Kindeswohlgefährdung oder Dynamiken, die eine Kindewohlgefährdung auslösen können. Sie sind unabhängig von der Art und Weise des Bekanntwerdens und lösen die Verpflichtung zum Schutzauftrag aus.
Hinzuziehung einer insoweit erfahrenen Fachkraft/Kinderschutzfachkraft
Die Regeln der Kunst machen das Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte bzw. das Mehraugenprinzip obligatorisch. Die Gefährdungssituation soll nicht allein, sondern im Austausch mit Kollegen und Kolleginnen, den verantwortlichen Leitungskräften und einer insoweit erfahrenen Fachkraft gemeinsam eingeschätzt werden. Für die Prozessgestaltung bei den freien Trägern sieht § 8a SGB VIII die grundsätzlich notwendige Einbeziehung einer »insoweit erfahrenen Fachkraft« – in Fachkreisen wird auch häufig von Kinderschutzfachkraft gesprochen – vor.
Einbeziehung der Erziehungsberechtigten sowie des Kindes
Die Fachkräfte sollen die Eltern frühzeitig in den Prozess der Gefährdungseinschätzung einbeziehen. Es bedarf einer fachlichen Einschätzung, ob, wann und in welcher Form das Gespräch mit den Eltern gesucht wird, da der wirksame Schutz des Kindes dadurch nicht in Frage gestellt sein darf. Z.B. in Fällen von sexueller Gewalt und Misshandlung sollte vor einem klärenden Elterngespräch der Schutz des Kindes sichergestellt sein.
In einem Balanceakt zwischen Hilfe und Kontrolle muss in Elterngesprächen Schwieriges zur Sprache gebracht und möglichen Widerständen und Abwehrmechanismen der Eltern fachlich begegnet werden. Dieses Gespräch mit Eltern, die nicht ausreichend für die Grundbedürfnisse ihrer Kinder sorgen oder durch ihr Verhalten das Kindeswohl gefährden, ist der fachlich anspruchsvollste Teil des Kinderschutzes.
Für den Prozess der Gefährdungseinschätzung ist es notwendig, das Kind stets im Blick zu haben, und seine Einbeziehung erfordert eine behutsame, seinem Alter und Entwicklungsstand entsprechende Gesprächsführung und kindgerechte Gestaltung des Settings.
Hinwirken auf die Inanspruchnahme von Hilfen
Neben der Abklärung einer möglichen Gefährdung geht es in den Elterngesprächen auch darum, Eltern zur Kooperation zu gewinnen und eine tragfähige Hilfebeziehung aufzubauen. Eltern sollen motiviert werden, Hilfen anzunehmen, um die Gefährdungssituation zu beenden. Dies können sowohl niedrigschwellige Hilfen wie auch Hilfen zur Erziehung sein. Ziel ist es häufig, die Eltern zu unterstützen, freiwillig Kontakt zum Jugendamt als Hilfeinstanz aufzunehmen.
Ergänzende Arbeitshilfen
Linkliste: Gefährdungseinschätzungsbögen für den Bereich Kindertagesstätten
In dieser Linkliste finden Sie hilfreiche Links mit weiteren Arbeitshilfen und öffentlich zugänglichen Dokumenten für den Bereich des Kinderschutzes. Dokument herunterladen
Merkblatt zur Mitteilung an das Jugendamt bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung
Worauf Sie achten müssen, wenn Sie aufgrund eines Verdachts auf Kindeswohlgefährdung eine Mitteilung an das Jugendamt machen müssen, ist in dieser Arbeitshilfe zusammengefasst. So vergessen Sie keinen wichtigen Sachverhalt. Dokument herunterladen