
Von Baden-Württemberg bis Thüringen – diesen Stellenwert hat der Übergang in den Bildungsplänen der Bundesländer

In jedem Bundesland gibt es einen Bildungsplan1 für den frühkindlichen Bereich. In dem nachfolgenden Abschnitt werden die Aussagen, Vorgaben, Empfehlungen zum Übergang vom Kindergarten in die Grundschule in diesen Bildungsplänen zusammengetragen.2 Die Leserschaft erhält so einen prägnanten Überblick und möglicherweise Inspirationen zur weiteren Lektüre, die wiederum die eigene Praxis weiterentwickeln können. Die Ausführungen in diesem Abschnitt beziehen sich auf die zum Datum der Veröffentlichung dieses Buches gültigen Dokumente. Diese können frei zugänglich und gut sortiert auf den Internetseiten des deutschen Bildungsservers nachgelesen werden.3
Baden-Württemberg
Im Orientierungsplan für den Elementarbereich wird die Förderung der sprachlichen Fähigkeiten als besonders bedeutsam herausgestellt. Es wird betont, dass Kindertageseinrichtungen eine schulvorbereitende Funktion haben. Die Kooperation von Kindertageseinrichtungen und Schulen soll sich nach einem verbindlichen Jahresplan richten. Die Wahrnehmung und Beobachtung des einzelnen Kindes, eine am individuellen Bedarf orientierte Entwicklungsförderung und die koordinierte Zusammenarbeit mit Eltern sind dabei von besonderer Bedeutung. Um den Übergang in den Primarbereich zu erleichtern, sollen die Ergebnisse der individuellen Beobachtung und entwicklungsbegleitenden Unterstützung in der Kindertageseinrichtung berücksichtigt werden.
Bayern
Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan verweist auf die Bayerischen Leitlinien für die Bildung und Erziehung von Kindern bis zum Ende der Grundschulzeit (BayBL 2014). Die Leitlinien konkretisieren die Kooperation zwischen den unterschiedlichen Bildungsorten und schaffen einen verbindlichen Rahmen für alle Bildungsorte, z.B. Kindertageseinrichtungen, Grund- und Förderschulen, Kindertagespflege, schulvorbereitende Einrichtungen, heilpädagogische Tagesstätten und sonstige Bildungseinrichtungen.
Berlin
Das Berliner Bildungsprogramm illustriert als Idealvorstellung im Transitionsprozess, dass sich die pädagogischen Fachkräfte der aufnehmenden und abgebenden Institution optimal mit der Familie abstimmen und dass das Kind in einer flexiblen, kindorientierten Schuleingangsphase den Übergang als kontinuierliche Fortschreibung seiner Bildungsbiografie erlebt. Die konkrete Ausgestaltung des Übergangsprozesses stützt sich auf die Beobachtung und die Dokumentation der Bildungsentwicklung des Kindes, die seine Stärken und Schwächen in unterschiedlichen Bildungsbereichen darstellt. Dabei verzichtet das Berliner Schulgesetz darauf, die Schulfähigkeit festzustellen.
Brandenburg
Die Grundsätze elementarer Bildung in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung im Land Brandenburg weisen Kindertageseinrichtungen die Aufgabe zu, auf den Übergang in die Grundschule vorzubereiten. Der brandenburgische Orientierungsrahmen sieht den Übergang der Kinder vom Elementar- in den Primarbereich als einen Qualitätsbereich der Entwicklung von Kindertagesbetreuung und Grundschule. Für den Übergang ist das Verfahren »Individuelle Lern-Entwicklungs-Analyse im Übergang von der Kita in die Schule« (ILEA-T) als ein verbindendes Instrument zwischen frühpädagogischen Bildungsdokumentationen und individuellen Lernstandsanalysen im Anfangsunterricht4 entwickelt worden.
Bremen
Im Rahmenplan für Bildung und Erziehung im Elementarbereich wird als eine Voraussetzung für den gelingenden Transitionsprozess die verbindliche und langfristige Zusammenarbeit mit den Schulen gesehen. Diese umfassen Hospitationen, wechselseitiges Einbeziehen auf Konferenzen und bei Mitarbeiterbesprechungen, Entwicklungsgesprächen und beim Erfahrungsaustausch. Auch sollen Entwicklungsdokumentationen des Elementarbereichs genutzt werden und Eltern in den Austausch zwischen frühpädagogischen Fachkräften und Lehrkräften einbezogen werden.
Hamburg
In den Hamburger Bildungsempfehlungen für die Bildung und Erziehung von Kindern in Tageseinrichtungen nimmt das sogenannte »Vorstellungsgespräch« eine wichtige Rolle ein: Alle Hamburger Kinder werden ca. 1,5 Jahre vor ihrer voraussichtlichen Einschulung zu einem Vorstellungsgespräch in die regional zuständige Grundschule eingeladen. Ziele sind es, dass Kind, Eltern, Lehrkräfte sich kennenzulernen und Fragen und Wünsche, Arbeitsweisen, Inhalte, Erwartungen und Anforderungen der Schule an die zukünftigen Schulkinder ansprechen. Abschließend sollen Kita, Eltern, Schule und Kind gemeinsam zu einer Einschätzung kommen, zu welchem Zeitpunkt der Übergang von der Kita in die Schule für das Kind sinnvoll ist und wie das letzte Jahr in der Kita oder in einer Vorschule gestaltet wird. Das Vorstellungsverfahren wird in Kooperation von Kita und Schule gestaltet.
Hessen
Das Land Hessen gibt einen Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von null bis zehn Jahren heraus und liefert damit eine Grundlage für ein gemeinsames Bildungsverständnis von Kindertageseinrichtungen und Primarbereich sowie für die engere Verzahnung der beiden Systeme. In zwei gesonderten Publikationen wird der Übergang in die Grundschule fokussiert und die Schulvorbereitung konkretisiert (Hessisches Sozialministerium 2012, Hessisches Sozialministerium 2014). Darin werden Kindertageseinrichtungen und Grundschulen dazu aufgefordert, gemeinsame Bildungsangebote für Kinder in den letzten beiden Kitajahren – also bereits für die 4-Jährigen – zu entwickeln.
Mecklenburg-Vorpommern
Mit der Bildungskonzeption für 0- bis 10-jährige Kinder (MV BK 2011) legt Mecklenburg-Vorpommern Grundlagen für die Arbeit in Kindertageseinrichtungen vor.5 Die erfolgreiche Bewältigung des Übergangs von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule hängt dabei von der Kooperation von Kindertageseinrichtung und Schule – in Zusammenarbeit mit der Familie – ab. Im Abschnitt »Gestaltung des Übergangs vom Kindergarten in die Schule« wird die gemeinsame Verantwortung der Fach- und Lehrkräfte mit den Eltern für die Entwicklung, Begleitung und Förderung eines jeden Kindes benannt. Die Bewältigung des Übergangs durch das Kind ist »maßgeblich davon abhängig, ob die Fach- und Lehrkräfte ein gemeinsames Bild vom Kind und gemeinsame pädagogische Konzepte haben bzw. entwickeln […]«.6
Niedersachsen
Der Orientierungsplan für Bildung und Erziehung im Elementarbereich niedersächsischer Tageseinrichtungen für Kinder stellt Grundlagen für die Zusammenarbeit zwischen Kindertageseinrichtung und Schule heraus und formuliert konkrete Maßnahmen, die den Übergang erleichtern sollen. Die Kooperation der Fachkräfte soll als konkurrenzfreier Prozess gestaltet und kontinuierlich reflektiert werden.
Nordrhein-Westfalen
Die Grundsätze zur Bildungsförderung für Kinder von 0 bis 10 Jahren in Kindertageseinrichtungen und Schulen im Primarbereich (NW GB 2016) widmen sich in einem eigenen Kapitel den Übergängen. Dabei wird die Zusammenarbeit zwischen den Institutionen als Voraussetzung für eine gelingende Bildungsbiografie betont. Schulfähigkeit soll nicht als Einstiegshürde, sondern als Aufgabe der beteiligten Institutionen begriffen werden, die die Bildung der Kinder als kontinuierlichen Prozess über institutionelle Grenzen hinaus versteht. Die Zusammenarbeit von Lehrkräften und frühpädagogischen Fachkräften soll auf Hierarchien verzichten, langfristig angelegt und institutionell verankert sein. Über gegenseitige Hospitationen soll auch die Reflexion über eine gemeinsame »Bildungsphilosophie«7 zu einem besseren Verständnis der individuellen Bildungs- und Entwicklungsprozesse beitragen.
Rheinland-Pfalz
Die Bildungs- und Erziehungsempfehlungen für Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz widmen der Zusammenarbeit zwischen Kindertagesstätte und Grundschule ein eigenständiges Kapitel. Diese soll im Sinne einer kontinuierlichen Bildungsbiografie institutionell verankert sein. Zum Übergang in die Grundschule wurde eine Handreichung mit vielen Praxisbeispielen entwickelt. Die Gestaltung des Übergangs zielt auf die Entwicklung der Anschlussfähigkeit von Bildungsprozessen.
Saarland
Das Bildungsprogramm für saarländische Kindergärten schildert knapp, dass die Grundschule die Bildungsprozesse aus dem Elementarbereich aufgreifen und fortführen soll. Inwiefern es zu einer Zusammenarbeit von frühpädagogischen Fachkräften und Lehrkräften kommen soll, wird nicht dargestellt. Laut des eigenen Kapitels zum Übergang in der zusätzlichen »Handreichung« für die Praxis8 müssen pädagogische Fachkräfte die Kinder im Sinne des Bildungsprogrammes fördern. Ihre Aufgaben umfassen u.a.:
-
die Neugier und Vorfreude der Kinder auf die Schule stützen,
-
mit den Kindern Strategien im Umgang mit Unsicherheiten entwickeln.
Sachsen
Der Sächsische Bildungsplan hebt insbesondere die Abstimmung des schulvorbereitenden Jahres und der Schuleingangsphase hervor. Letztere soll sich am Prinzip der individuellen Förderung orientieren, nicht an der Selektion. Zudem gibt ein online erhältliches »Praxishandbuch für Pädagogen in Kindertageseinrichtungen und Grundschulen« ausführliche Anregungen. Ziele sind u.a. die Verzahnung von Schulvorbereitungsjahr und Schuleingangsphase sowie eine neue Qualität der Zusammenarbeit am Übergang vom Kindergarten in die Grundschule.
Sachsen-Anhalt
Das Bildungsprogramm für Kindertageseinrichtungen in Sachsen-Anhalt (ST BP 2013) gibt Kindertageseinrichtungen den Auftrag, mit Schulen zu kooperieren. Die pädagogischen Fachkräfte sollen der Familie eine Orientierung im Hinblick auf die Bildungsbiografie des Kindes bieten und stehen in der Verantwortung, die Lebenslagen von Kindern zu kennen, mögliche Probleme zu identifizieren und bei Bedarf professionelle Unterstützung anzubieten. Treten Unterstützungsbedarfe auf, werden das Team der Kindertageseinrichtung sowie alle in Frage kommenden Netzwerk- und Kooperationspartner in der Kommune bei den notwendigen Maßnahmen einbezogen. Die Empfehlungen münden in Leitlinien, von denen sich die Leitlinie 6 explizit mit der Gestaltung des Übergangs befasst.9 Die frühpädagogischen Fachkräfte informieren Eltern über Kooperationsstrukturen mit Schulen, identifizieren Erwartungen der Familien, kooperieren mit Lehrkräften, streben Zielvereinbarungen über eine gleichberechtigte Zusammenarbeit mit Schulen an und entwickeln gemeinsam mit den Lehrkräften ein Konzept zur Gestaltung des Übergangs.
Schleswig-Holstein
Die Leitlinien zum Bildungsauftrag in Kindertageseinrichtungen betrachten die Beobachtung und Dokumentation von kindlichen Bildungs- und Entwicklungsprozessen als mögliches Instrument bei der Gestaltung des Übergangs in die Grundschule. Im Kindertagesstättengesetz und im Schulgesetz des Landes wird die Kooperation der Einrichtungen verbindlich geregelt: Der Übergang zur Schule und die Förderung schulpflichtiger Kinder sollen durch eine Zusammenarbeit mit der Schule erleichtert werden, die sich am jeweiligen Entwicklungsstand und an der Alterssituation der Kinder orientiert. Zu diesem Zweck sollen Kindertageseinrichtungen mit den Schulen in ihrem Einzugsgebiet verbindliche Vereinbarungen über die Verfahren und Inhalte der Zusammenarbeit abschließen, insbesondere zur Vorbereitung des Schuleintritts. Kindertageseinrichtungen sollen mit den Grundschulen über den Entwicklungsstand der einzelnen Kinder Informationen austauschen und Gespräche führen, um eine individuelle Förderung der Kinder zu ermöglichen. Im Leitfaden »Den Übergang gestalten« betont das Land die Kooperation zwischen Kindertageseinrichtungen und Grundschulen als grundlegende Aufgabe beider Institutionen. Der Leitfaden bietet Instrumente zur Umsetzung der Zusammenarbeit an, zum Beispiel eine Stärken-Schwächen-Analyse (in Bezug auf die Kooperationsstrukturen) und Protokollbögen, die gemeinsame Sitzungen strukturieren und die Ergebnisse dokumentieren.
Thüringen
Der Thüringer Bildungsplan für Kinder bis 18 Jahre (TH BP 2015) ist aufgrund der berücksichtigten Altersspanne besonders hervorzuheben. Er sieht vor, dass sich frühpädagogische Fachkräfte, Lehrkräfte und Familien im Sinne einer »Kind-Umfeld-Analyse« bei allen Kindern über die bestmöglichen Bedingungen für die Gestaltung des Übergangs verständigen. In einem umfangreichen Kapitel zu Übergängen werden sowohl fachliche Grundlagen als auch Hinweise zur Ausgestaltung gegeben: Übergänge müssen von den pädagogisch Handelnden in enger Kooperation mit Eltern und Familie gestaltet werden. Übergänge sind aus der Bewältigungsperspektive der Kinder und Jugendlichen zu sehen. Familien und pädagogisch Tätige der verschiedenen Institutionen verständigen sich im Rahmen einer »Kind-Umfeld-Analyse« über die Bildungsbedürfnisse der Kinder sowie darüber, wie diesen Bedürfnissen in der Schule, in außerschulischen Kontexten und zu Hause am besten entsprochen werden kann.10
Literatur
Albers, T. / Lichtblau, M. (2014): Inklusion und Übergang von der Kita in die Grundschule: Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte. Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte. WiFF Expertisen, Band 41. München.
Geiling, U. / Liebers, K. / Prengel, A. (Hrsg.): Handbuch ILEA T (2015): URL: Handbuch ILEAT_online_07.2015.pdf (Abruf: 15.8.2017).
Hessisches Sozialministerium (2012): Qualifizierte Schulvorbereitung (QSV). Bildungsprozesse gemeinsam gestalten. Das Rahmenkonzept zum Modellprojekt. Wiesbaden. URL: bep.hessen.de (Abruf: 14.8.2017).
Hessisches Sozialministerium (2014): Qualifizierte Schulvorbereitung (QSV). Erfolgreiche Bildungspraxis in Kindertageseinrichtungen. Eine Handreichung zum Hessischen Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von 0 bis 10 Jahren. URL: bep.hessen.de (Abruf: 14.8.2017).
Ergänzende Arbeitshilfen
Konzeptionsentwicklung: Reflexionsfragen zur Zusammenarbeit mit der Schule
Der Übergang in die Schule gehört zu den wichtigsten Transitionen im Leben des Kindes. Deshalb ist es notwendig, sich über Haltung und pädagogische Praxis in diesem Bereich im pädagogischen Team zu verständigen. Hilfreich sind dazu die Reflexionsfragen dieser Arbeitshilfe, die den Konzeptionsentwicklungsprozess unterstützen. Dokument herunterladen
Gesprächsleitfaden Übergangsgespräch
Im Übergangsgespräch besprechen Sie mit den Eltern den bevorstehenden Wechsel des Kindes in die Schule. Wie Sie dabei zielgerichtet vorgehen und welche Stolpersteine Sie vermeiden sollten, zeigt dieser Leitfaden. Dokument herunterladen
Zur sprachlichen Vereinfachung werden hier für alle curricularen Grundlagen für Kindertageseinrichtungen die Begriffe »Bildungsplan« bzw. »Bildungspläne« verwendet. Die verschiedenen Bundesländer verwenden Begriffe wie »Plan«, »Programm«, »Empfehlungen«, »Grundsätze«, »Leitlinien«.
Dieser Abschnitt basiert auf den Ausführungen von Timm Albers und Michael Lichtblau zu »Inklusion und Übergang von der Kita in die Grundschule: Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte« (2014). Dies ist eine frei verfügbare Expertise (Band 41) aus der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte. Herzlichen Dank für das Einverständnis der Weiterbildungsinitiative zu meiner umfangreichen Zitation.
Geiling/Liebers/Prengel 2015.
Der Altersbereich von null bis zehn Jahren bezieht sich nicht auf die Grundschule, sondern auf den Hort.
Ebd. S. 234 ff.
Ebd., S. 76.
SL HR 2007, S. 172.
Ebd., S. 93 f.
Ebd., S. 38, 42.