
Welche Urheberrechtsbeschränkungen für Ihre Kita bedeutsam sind

Die Schranken des Urheberrechts sind in den §§ 44 ff. UrhG geregelt. Sie dienen dem Ausgleich der Interessen der Urheber und Rechtsinhaber einerseits und denen der Endnutzer andererseits.1 Die Schranken des Urheberrechts regeln, welche Nutzungshandlungen gesetzlich erlaubt sind, ohne die Zustimmung des Rechteinhabers einzuholen. Gesetzlich erlaubte Nutzungen sorgen insbesondere dafür, dort Zugang zu geschützten Inhalten zu schaffen, wo vertragliche Systeme aus unterschiedlichen Gründen keinen ausbalancierten Interessenausgleich zu schaffen vermögen.
Die Schrankenregelungen der §§ 44 ff. UrhG sind in der Praxis nicht nur für Erzieher/innen schwerlich zu begreifen. Das UrhG enthält in den §§ 44a ff. UrhG eine Vielzahl kleinteiliger, an unterschiedlichen Stellen geregelter Erlaubnistatbestände zugunsten von Unterricht und Wissenschaft. Eine Einordnung von erlaubter und nicht erlaubter Nutzung ist im Einzelfall mehr als problematisch.
Gesetzesnovelle: Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz (2017)
Diese Problematik hat der Gesetzgeber erkannt und am 30.6.2017 das Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz verabschiedet. Ziel war es, dass künftig jede Nutzergruppe auf eine Vorschrift zugreifen kann, die möglichst präzise Art und Umfang der erlaubten Nutzung bestimmt. In einem neuen Unterabschnitt 4 in Teil 1 Abschnitt des UrhG werden diese Tatbestände geregelt. Der Erlaubnistatbestand mit der größten Bedeutung für Kindertagesstätten wird § 60a UrhG – Unterricht und Lehre – sein.
Nach § 60a Abs. 1 UrhG dürfen zur Veranschaulichung des Unterrichts und der Lehre an Bildungseinrichtungen zu nicht kommerziellen Zwecken bis zu 15 Prozent eines veröffentlichten Werkes vervielfältigt, verbreitet, öffentlich zugänglich gemacht werden und in sonstiger Weise öffentlich zugänglich gemacht werden für Lehrende und Teilnehmer der jeweiligen Veranstaltung, für Lehrende und Prüfer an derselben Bildungseinrichtung sowie für Dritte, soweit dies der Präsentation des Unterrichts, von Unterrichts- oder Lernergebnissen an der Bildungseinrichtung dient.
§ Es dürfen beispielsweise 15 Prozent eines Lieder- oder Malbuchs für die Arbeit in der Kindertagesstätte kopiert und verwendet werden. Der Umfang bezieht sich auf den Gesamtumfang des Werkes, also Seitenzahlen oder Liedlänge. |
Nach § 60a Abs. 2 dürfen Abbildungen, einzelne Beiträge aus derselben Fachzeitschrift oder wissenschaftlichen Zeitschrift, sonstige Werke geringen Umfangs und vergriffene Werke abweichend von Absatz 1 vollständig genutzt werden.
Zu beachten ist, dass nach § 60a Abs. 3 Nr. 2 grafische Aufzeichnungen von Musikwerken (Noten) nicht erlaubt sind. Auch die Vervielfältigung der Notenwerke durch Abschreiben ist nicht zulässig.
§ 60a Abs. 4 UrhG enthält die Legaldefinition der Bildungseinrichtungen. Privilegiert sind nun explizit auch frühkindliche Bildungseinrichtungen wie Kindertagesstätten, Kindergärten und Vorschulen.
Grundsätzlich können Werke aller Werkarten Objekt der Schrankenregelung sein. Die zu verwertenden Werke bzw. Werkteile müssen bereits veröffentlicht sein. Das heißt, das Werk muss der Öffentlichkeit mit Zustimmung des Berechtigten zugänglich gemacht worden sein. Pauschal dürfen nach § 60a Abs. 1 UrhG 15 Prozent eines Werkes genutzt werden.
§ 60a Abs. 2 UrhG erweitert den Umfang der zulässigen Nutzung über § 60a Abs. 1 UrhG hinaus und erlaubt sogar eine vollständige Nutzung für bestimmte Werkkategorien.
Die neue Bildungsschranke ist am 1.3.2018 in Kraft getreten. Seit diesem Zeitpunkt sind Kindertagesstätten weitgehend freigestellt. Nutzer aus dem Bereich der Bildungseinrichtungen können sich daneben auch weiterhin auf alle Erlaubnistatbestände der §§ 44a ff. UrhG berufen, die außerhalb des § 60a UrhG geregelt sind, sofern die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. In Betracht kommen insbesondere die Regelungen zum Zitat, zur öffentlichen Wiedergabe und zur Privatkopie.
Zitat
Gem. § 51 S. 1 UrhG sind die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zwecke des Zitats vergütungsfrei zulässig, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Dabei kommt es darauf an, ob die Verwendung des fremden Werkes oder des urheberrechtlich geschützten Leistungsergebnisses zum Zwecke des Zitats geschieht. Die Zitatfreiheit gestattet es aber nicht, ein fremdes Werk oder ein urheberrechtlich geschütztes Leistungsergebnis nur um seiner selbst willen zur Kenntnis der Allgemeinheit zu bringen. Ebenso wenig reicht es aus, dass ein solches Werk oder ein solches Leistungsergebnis in einer bloßen äußerlichen, zusammenhangslosen Weise eingefügt und angehängt wird.2
Literatur
Dreier, T. / Schulze, G. (2015, 5. Aufl.): Urheberrechtsgesetz: Urheberrechtswahrnehmungsgesetz, Kunsturhebergesetz. München: C.H. Beck.
Schwartmann, R. / Hentsch, C.-H. (2016, 1. Aufl.): Falltraining im Urheberrecht. Karlsruhe: C.F. Müller.
Ergänzende Arbeitshilfen
Linkliste: Urheberrecht
Welche Regelungen müssen Sie in Bezug auf das Urheberrecht bei Ihrer täglichen Arbeit in der Kita, z.B. bei der Erstellung einer Website oder bei Veröffentlichungen in den Sozialen Medien beachten? Hier finden Sie Anlaufstellen. Dokument herunterladen
Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, vor § 44a, Rn. 1.
Schwartmann/Hentsch, Falltraining im Urheberrecht, S. 71.