
Machen Sie Multiprofessionalität als Ressource nutzbar

Die strukturelle und inhaltliche Weiterentwicklung des Systems früher Betreuung und Bildung hat auch zu einem Wandel und einer Ausweitung der notwendigen Qualifikationen der frühpädagogischen Fachkräfte geführt. Dieses betrifft einerseits die Umsetzung der Rahmen- und Orientierungspläne in der frühpädagogischen Praxis und damit die Implementierung von Bildungsbereichen, die vorher weniger stark akzentuiert wurden, z.B. Mathematik und Naturwissenschaften, aber auch die Zusammenarbeit mit Familien. Des Weiteren hat auch die Ausweitung der Betreuungsangebote für Kinder unter 3 Jahren zu einer Veränderung des Anforderungsprofils – vor allem für Fachkräfte in den westlichen Bundesländern – geführt. Selbstverständlich bringt auch die zunehmende Anzahl von Kindern und Familien mit einem anderen kulturellen Hintergrund neue Anforderungen an die professionellen Kompetenzen mit sich. Zusätzlich ist im Zuge des quantitativen Ausbaus des Systems der frühen Bildung und Betreuung der Bedarf an pädagogischen Fachkräften enorm gestiegen. Dem Wandel des Anforderungsprofils und dem Personalmangel wird auf der Steuerungsebene mit unterschiedlichen Maßnahmen begegnet. Hierzu gehören Initiativen zur Akademisierung der Fachkräfte ebenso wie die Schaffung von Funktionsstellen für spezifische Aufgaben (z.B. Sprachexperten) oder die Einführung von Seiteneinsteigerregelungen und die Integration anderer Professionen in die Arbeit der Kindertageseinrichtungen. Bis vor wenigen Jahren war die Personalstruktur der pädagogischen Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen weitestgehend homogen. Auch derzeit stellen Fachkräfte mit einer fachschulischen Ausbildung zum Erzieher oder zur Erzieherin mit 70 % der Beschäftigten die überwiegende Mehrheit der Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen. Etwa 5 % haben einen Hochschulabschluss, wobei sich der Anteil der Fachkräfte mit Hochschulabschluss zwischen den Bundesländern stark unterscheidet. Bei den Leitungskräften, die vollständig für Leitungsaufgaben freigestellt sind, liegt der Anteil der Fachkräfte mit Hochschulabschluss mittlerweile bereits bei über 20 %. Die professionelle Diversität in den Teams der Einrichtungen nimmt zu. Ein erhöhter und steigender Bedarf an Fachkräften mit spezifischen Qualifikationen wie Ergotherapeuten, Logopäden, Heilpädagogen bzw. mit spezifischen Kompetenzen hinsichtlich mehrsprachiger und interkultureller Bildung oder im Bereich der Frühen Hilfen ist absehbar.
Das ist das Potenzial für die Qualitätsentwicklung
Multiprofessionalität muss daher als Herausforderung angegangen und als Ressource nutzbar gemacht werden. Die enormen Herausforderungen für die Personalführung in diesem Zusammenhang liegen auf der Hand. Nach bisherigen Erkenntnissen entstehen durch die strukturellen Veränderungen der Teams der Kindertageseinrichtungen sowohl Potenziale als auch Risiken (Weltzien et al. 2016). Als Potenzial für die Qualitätsentwicklung kann gesehen werden, dass mit einem Anstieg des durchschnittlichen Niveaus der Kompetenzen und fachlichen Qualifikationen der Fachkräfte zu rechnen ist. Die neuen Zusammensetzungen der Kita-Teams können im Idealfall auch Ausgangspunkt für Teamentwicklung und einen verstärkten fachlichen Austausch sein, der dann auch wieder der Qualitätsentwicklung zugutekommt. Es handelt sich hierbei um einen anspruchsvollen Entwicklungsprozess, der Ressourcen und fachliche Unterstützung benötigt. Wenn dieser Prozess nicht gelingt, besteht die Möglichkeit, dass Überlastung, Überforderung, unklare Rollenverteilungen und letztlich Fluktuation und Instabilität entstehen.
Weltzien und Kollegen (2016) untersuchten die Entwicklung multiprofessioneller Teams im Rahmen einer empirischen Untersuchung in Baden-Württemberg. Die Studie war mit dem Ziel angelegt, Wissen darüber zu erbringen, ob und in welcher Form es gelingt, unterschiedliche Qualifikationen und Kompetenzen in einem Team zusammenzuführen, sodass höhere Arbeitszufriedenheit, Prozessqualität und Teamstabilität entstehen. Die Untersuchung war als multi-methodale Studie mit einer breit angelegten Onlinebefragung und einer intensiven Begleitung von 25 multiprofessionellen Teams konzipiert. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass in der Praxis grundsätzlich eine hohe Aufgeschlossenheit gegenüber neu oder anders qualifizierten Fachkräften besteht. Gleichzeitig bedeutet der Wandel oftmals hohe Anforderungen für die traditionell qualifizierten Fachkräfte, da diese stärker durch pädagogische Kernaufgaben belastet werden. Eine Verbesserung der Teamsituation und eine fachliche Begleitung des Prozesses können dabei zur Verbesserung der Arbeitszufriedenheit aller Teammitglieder beitragen. Neu oder anders qualifizierte Fachkräfte benötigen oftmals eine längere Einarbeitungszeit, des Weiteren sind Ressourcen notwendig um eine gute Integration und Teamkohärenz zu erzielen. Diese Ressourcen können oftmals nicht bereitgestellt werden. Die gelungene Integration und Weiterentwicklung der Prozessqualität ist dabei neben den zur Verfügung stehenden Zeitressourcen von den Möglichkeiten zu Anleitung, Reflexion und Coaching sowie den Möglichkeiten der prozessbegleitenden Weiterbildung abhängig. Zentrale Anforderungen an die Personalführung bestehen in der Schaffung zeitlicher und struktureller Ressourcen, um die genannten Bedingungen herzustellen.
Literatur
Weltzien, D./Fröhlich-Gildhoff, K./Strohmer, J./Reutter, A./Tinius, C. (2016): Multiprofessionelle Teams in Kindertageseinrichtungen. Evaluation der Arbeitsprozesse und Arbeitszufriedenheit von multiprofessionell besetzten Teams in Baden-Württemberg. Weinheim, Basel: Beltz/Juventa.
Ergänzende Arbeitshilfen
Übersicht: Kompetenzen im Erzieher/innenberuf
Welche Eigenschften sollte man mitbringen oder welche Kompetenzen sollte man erwerben, um den Beruf der Erzieherin / des Erziehers professionell ausüben zu können? Überlegen Sie, welche Punkte auf Sie zutreffen. Dokument herunterladen