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Vom Kindergarten in die Schule: Diese Konzepte helfen beim Übergang

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© Cora Müller / Adobe Stock

Theoretische Ansätze zum Übergang von der Kita in die Grundschule

Der Transitionsansatz wird häufig als theoretischer Rahmen beim Übergang vom Kindergarten in die Grundschule herangezogen (Griebel & Niesel, 2011). Im Sinne des Transitionsansatzes werden als Transitionen Lebensereignisse bezeichnet, die die Bewältigung von Veränderungen auf mehreren Ebenen verlangen, intensive Lernerfahrungen anregen und wichtige biografische Erfahrungen in der eigenen Identitätsentwicklung darstellen (Griebel & Niesel, 2011). Dies trifft auf die Einschulung zu, wenn das Kind Phasen beschleunigter Veränderungen (z.B. Eingewöhnung in Klassenverband, Rollenfindung) und eine besonders lernintensive Zeit durchmacht. Der Transitionsansatz von Griebel und Niesel (2011) vereint den ökopsychologischen Ansatz, Ansätze der Stressforschung und die Theorie der kritischen Lebensereignisse und entwirft den Übergang als ko-konstruktiven Prozess, der von allen Beteiligten (Kind, Eltern, pädagogisches Personal in Kindergarten und Schule) gestaltet und begleitet wird. Der Verdienst des Ansatzes liegt darin, einen theoretischen Rahmen für verschiedene Übergänge im Bildungssystem zu bieten. Durch die strukturelle Trennung des Elementar- und Primarbereichs wird aber die kontinuierliche Bildung der Kinder über die Institutionen hinweg erschwert. Der Transitionsansatz kann daher als Orientierungshilfe für die praxisbezogene Gestaltung pädagogischer Maßnahmen im Übergangsprozess eingesetzt werden (vgl. dazu die Bildungspläne in Bayern, Berlin und Hessen), da er den Blick auf das Zusammenwirken aller Beteiligten und die Kooperationsnotwendigkeit aller Beteiligter öffnet. So kann z.B. im Schulsprengel ein Elternabend zur Einschulung gemeinsam von den Kindergärten und der Grundschule durchgeführt werden, um die Eltern umfassend zum Übergang und die Einschulung zu informieren. Für die zur Einschulung anstehenden Kindergartenkinder könnte ein Spielenachmittag mit den Erstklässlern und einer Lehrkraft im Kindergarten organisiert werden, um im Freispiel Kontakte zu den Schulkindern und der Lehrkraft aufzubauen und mögliche Hemmungen abzubauen. Hauptkritikpunkt am Transitionsansatz ist allerdings, dass die Stressbelastung beim Übergang in die Schule überbewertet wird, was sich in aktuellen Studien zur Übergangsbewältigung nicht in dem Maße bestätigen lässt.

In wissenschaftlichen Studien zur Übergangsbewältigung wird mitunter auch eine Alternativtheorie herangezogen: Die „paradoxe Theorie“ von Caspi und Moffitt (1993). Sie stellt einen psychologischen Ansatz zur Erklärung persönlicher Verhaltensweisen in Übergangsphasen dar und geht davon aus, dass gerade in Übergangsphasen personenspezifische Veränderungen und neue Verhaltensweisen eher unwahrscheinlich sind. Stattdessen wird angenommen, dass Übergangsphasen gerade keine völlig neuen Persönlichkeits- und Verhaltensmerkmale hervorrufen, sondern während des Übergangs verstärkt auf bereits bestehende und gewohnte Verhaltensweisen zurückgegriffen wird. Demzufolge treten mögliche Anpassungsprobleme nicht erst im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schuleintritt auf, sondern bestehen, anders als dies im Transitionsansatz postuliert wird, bereits vorher. Caspi und Moffitt (1993) betonen interindividuelle Persönlichkeitsunterschiede (z.B. Schüchternheit, Anpassungsprobleme) beim Übergang, die auch wirksam sein können, wenn es um die Übergangsgestaltung geht. Als Konsequenz für die Praxis kann daraus gefolgert werden, dass entsprechende Interventionsmaßnahmen bereits im Kindergarten (z.B. zur Stärkung der sozial-emotionalen Entwicklung, des Selbstkonzeptes und der Selbstwirksamkeit) ansetzen sollten, um gerade „Risikokinder“ möglichst frühzeitig in ihrer Entwicklung zu unterstützen.

Theoretische Vorstellungen zur Schulfähigkeit und Schuleingangsdiagnostik

In engem Zusammenhang mit dem Übergang wird auch die Frage der Schulfähigkeit diskutiert. Die theoretischen Vorstellungen hierzu haben sich im Laufe der Zeit gewandelt. So dominierten in den 1950er Jahren noch Vorstellungen von Schulfähigkeit im Sinne der Reifung, wonach Kinder einen gewissen Reifegrad erreicht haben mussten, um eingeschult zu werden. In der Folgezeit konnte allerdings nachgewiesen werden, dass die Schulreife kein Reifungsphänomen darstellt, sondern eher mit Lerngelegenheiten zu tun hat, was wiederum bedeutet, dass Schulreife durch geeignete Maßnahmen unterstützt werden kann. Heute gilt der ökosystemische Ansatz (Nickel, 1990) als Orientierung, wonach Schulfähigkeit durch Interaktion der vier Teilsysteme Fähigkeiten der Schulanfänger/innen, Schule, Ökologie (Familie, Kindergarten) sowie die gesamtgesellschaftliche Situation bedingt wird, die sich wechselseitig beeinflussen. Diese Sichtweise betont, dass für die Entwicklung von Schulfähigkeit nicht nur das Kind, sondern auch die (früh-)kindlichen Lernumwelten Familie, Kindergarten, Grundschule verantwortlich sind. Sie entspricht damit auch dem Gedanken des Transitionsansatz, der das Zusammenwirken aller am Übergang Beteiligter für die Entwicklung der Schulfähigkeit hervorhebt.

In diesem Zusammenhang ist auch die Frage nach der Feststellung von Schulfähigkeit (Schuleingangsdiagnostik) zu diskutieren, die je nach dem welches Bild von Schulfähigkeit vorliegt, unterschiedlich beantwortet werden kann. Traditionelle Testverfahren, die insbesondere kognitive Fähigkeiten (z.B. Konzentration, Gedächtnis) untersuchen, machen Schulfähigkeit einseitig am Kind fest und zielen vor allem auf die Selektion nicht-schulfähiger Kinder ab. Moderne Schuleingangsdiagnostik zielt dagegen darauf ab, frühzeitig besondere Förderbedarfe festzustellen und dann gezielt Unterstützungsmaßnahmen einzuleiten, um möglichst vielen Kindern einen erfolgreichen Übergang in die Schule zu ermöglichen (Spinath & Brünken, 2016). Bei solchen Screeningverfahren werden vor allem spezifische Vorläuferfähigkeiten für spätere schulische Kompetenzen (z.B. Sprache, Schriftspracherwerb, Mathematik) sowie Basiskompetenzen (z.B. motorisch, sozial-emotional) im Kindergartenalltag von den frühpädagogischen Fachkräften diagnostiziert (Seeger et al., 2014; Tröster et al., 2016). Aus den Ergebnissen dieser Befunde können dann Hinweise auf Bereiche gewonnen werden, die einer besonderen Förderung bedürfen, entsprechende Fördermöglichkeiten z.B. hinsichtlich des mengen- und zahlbezogenen Vorwissens oder der phonologischen Bewusstheit abgeleitet werden, und auch für Beratungsgespräche zur Einschulung genutzt werden.

Literatur

Caspi, A./Moffitt, T. E. (1993): When do individual differences matter? A paradoxical theory of personality coherence. Psychological Inquiry, 4 (4). S. 247–271.

Griebel, W./Niesel, R. (2011): Übergänge verstehen und begleiten. Transitionen in der Bildungslaufbahn von Kindern. Berlin: Cornelsen.

Nickel, H. (1990): Das Problem der Einschulung aus ökologisch-systemischer Perspektive. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 37 (3). S. 217–227.

Seeger, D./Holodynski, M./Souvignier, E. (2014): BIKO 3-6. BIKO-Screening zur Entwicklung von Basiskompetenzen für 3- bis 6-Jährige. Göttingen: Hogrefe.

Spinath, B./Brünken, R. (2016): Pädagogische Psychologie – Diagnostik, Evaluation und Beratung. Göttingen: Hogrefe.

Tröster, H./Flender, J./Reineke, D./Wolf, S. M. (2016): DESK 3-6 R. Dortmunder Entwicklungsscreening für den Kindergarten – Revision. Göttingen: Hogrefe.

Ergänzende Arbeitshilfe

Übersicht: Fristgemäße Einschulung

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es beim Schuleintritt zu beachten und wie sieht die gesetzliche Lage hierzu in den einzelnen Bundesländern aus? Dokument herunterladen

Konzeptionsentwicklung: Reflexionsfragen zur Zusammenarbeit mit der Schule

Der Übergang in die Schule gehört zu den wichtigsten Transitionen im Leben des Kindes. Deshalb ist es notwendig, sich über Haltung und pädagogische Praxis in diesem Bereich im pädagogischen Team zu verständigen. Hilfreich sind dazu die Reflexionsfragen dieser Arbeitshilfe, die den Konzeptionsentwicklungsprozess unterstützen. Dokument herunterladen

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