Abschnitt: Kooperationen und Netzwerke → Die Kita im Sozialraum
 

Diese Begriffe im Zusammenhang mit dem Sozialraum sollten Sie kennen!

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Als Sozialraum wird im sozialpädagogischen Kontext die direkte Umgebung bzw. der Nah-raum, ein konkretes Wohnumfeld bezeichnet. Er gilt aber z.B. auch als Verwaltungskonstrukt für eine Stadtteil- oder Bezirksbeschreibung. Gemeinsam ist die Konkretisierung auf einen regionalen Raum mit festgelegten Grenzen. Hiervon abgrenzen lässt sich der Begriff Lebenswelt, unter welchem nach Thiersch kein regional eingrenzbares Gebiet verstanden wird, sondern subjektives Erleben sowie Bezugspunkte des jeweils eigenen Sozialraums im Vordergrund stehen. Beide Begriffe sind als gleichermaßen relevant zu bezeichnen, weswegen zumeist eine Orientierung an der Lebenswelt sowie ein Bezug zum Sozialraum in Konzepten von Kindertagesstätten zu finden sind.

Sozialraumorientierung gründet mit Stadtteilarbeit und Quartiersmanagement auf der Überzeugung, dass soziale Probleme im sozialen Kontext verstanden werden müssen. Sie grenzt sich damit von dem Arbeitsprinzip einer an einem Einzelfall orientierten Hilfe ab und hat ihre methodischen Wurzeln in der Gemeinwesenarbeit. Sozialraumorientiertes Handeln nimmt den Sozialraum und das Lebensumfeld in den Blick und hat zum Ziel, die Lebensbedingungen zu verbessern, indem anhand der geäußerten Bedürfnisse und vorhandenen Ressourcen konkrete Hilfen möglichst innerhalb des sozialräumlichen Bezugs realisiert werden. Durch Sozialraumorientierung werden aber auch Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten, z.B. für Kinder, gestaltet. Kitas arbeiten dann sozialraum- (und familien-)orientiert, wenn sie ihr Umfeld in den Blick nehmen und sich z.B. für Wünsche und Vorstellungen der Familien im Sozialraum öffnen. In diesem Zusammenhang sei daher auch noch die Lebensweltorientierung erwähnt, die bereits im 8. Jugendbericht (BMJFFG, 1990) dieses Konzept nach Thiersch aufführte und auch weiterhin als Rahmenkonzept der Kinder- und Jugendhilfe verstanden wird.

Durch Berücksichtigung der erwähnten Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten werden Lernorte in den Blick genommen, die sich aus der Sicht von Kindern und Familien ergeben. Diese lassen sich im Kontext einer Bildungslandschaft zusammentragen. Mit dem Begriff Bildungslandschaft wird eine zielgerichtete Verzahnung und Weiterentwicklung von Bildungsangeboten und -akteuren (z.B. Kindertagesstätte, Schule, außerschulische Institutionen) benannt, die auf lokaler Ebene unter kommunaler Verantwortung geführt wird. Örtliche Potenziale sollen erschlossen und z.B. Kindern und Familien durch gezielte regionale Vernetzung und Kooperation optimierte Bildungsbedingungen und -möglichkeiten angeboten werden können, womit die Bedeutung einer differenzierten Bildungsinfrastruktur herausgestellt wird (Botzum, 2015). Zugrunde liegt sowohl ein erweitertes Bildungsverständnis (informelle Bildungsprozesse, non-formale Bildungssettings, BMFSFJ, 2006) im Sinne von Bildung als Aneignung sowie Alltagsbildung als auch ein breites Verständnis von öffentlichem Raum.

Öffnung in den Sozialraum

Die Bedeutung von Kindertageseinrichtungen hat in den vergangenen Jahren enorm zugenommen. »Die institutionelle Kinderbetreuung ist heute zu einem wichtigen Bestandteil und zu einer bedeutsamen Sozialinstanz für das Aufwachsen von Kindern geworden« (Jares, 2014). Mit dem Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz ab dem dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt (siehe SBG VIII § 24 i.d.F. 01.01.1996) begann der Bedeutungszuwachs von Kitas. Dieser und der veränderte Bedarf von Familien führte zum Rechtsanspruch für Kinder unter drei Jahren (SGB VIII § 24, in Kraft ab 01.08.2013). Der Rechtsanspruch ist Ausdruck der gestiegenen Bedeutung und hat die Bedeutung von Kitas noch einmal erhöht.

Die Kita als Institution ist Bestandteil des Sozialraumes, sie ist also Teil eines Ortes bzw. Stadtteils. Dort geht sie (Netzwerk-)Beziehungen ein. Aber die Kita wird auch vom Sozialraum beeinflusst. »Sozialräumliches Handeln in Kindertageseinrichtungen bedeutet zunächst einmal den Blick zu erweitern, weg vom Einzelfall hin zu komplexen Lebenssituationen von Kindern und Familien […], auch in Bezug auf weitere Bewohner und Generationen des Sozialraums« (Frink, 2015a). Mehr und mehr Kitas öffnen sich gegenüber ihrem Stadtteil, wie auch den Familien und Eltern, und werden damit zu ›Kitas im Sozialen Raum‹ (Blankenburg/Rätz-Heinisch, 2009). Kinder und Familien bringen den Sozialraum mit in die Lebenswelt Kita. Insbesondere die Kinder erzählen, was sie beschäftigt, und sie berichten auch von ihren Erlebnissen. Beides ist oftmals eng mit dem Sozialraum verknüpft. Ihren Aktionsraum erweitern die Kinder dabei stetig. Diese lebensweltlichen Bezugspunkte, in denen tatsächliche Beziehungen – zwischen Familie und Gesellschaft; aber auch Familie und Kita – stattfinden, sind von großer Bedeutung (Schneider, 2010). Jedes Kind hat individuelle Erfahrungen und Erlebnisse, die es so beschäftigen, dass es diese mit in die Kita bringt (Schneider, 2015). Der Sozialraum ist also nicht nur für die Lebenswelt der Kinder, sondern auch für die Kita von großer Bedeutung. Daher sollte die Kita den Sozialraum aktiv für ihre Arbeit nutzen und sich dort einbringen.

Der Kita begegnen im Sozialraum verschiedene Akteure und damit mögliche Kooperations- bzw. Vernetzungspartner (Jares, 2014). Die folgende Abbildung zeigt Kitas als wichtige Anlaufstellen für Familien und Institutionen.

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Abb. 1: Die Kita im Sozialraum (eigene Darstellung)

Aus diesem Grund ist es wichtig, die im Sozialraum ansässigen Akteure und den Sozialraum selbst zu kennen. Eine Sozialraumanalyse hilft, Vernetzungspotentiale zu erkennen, Strukturen aufzudecken und transparent zu machen, wie auch die Sicht der Bewohnerinnen und Bewohner auf den Sozialraum einzubeziehen bzw. eben diesen zu identifizieren und abzugrenzen. Dabei geht es um Beteiligung und Mitwirkung der Familien als soziales Umfeld der Kinder, wie auch um Unterstützung von Bildungsprozessen (Blankenburg/Rätz-Heinisch, 2009). So gewinnt die Einbeziehung des Sozialraums in die Arbeit bzw. die Öffnung der Kita zum Sozialraum immer mehr an Bedeutung (Frink, 2015b).

Literatur

Blankenburg, N./Rätz-Heinisch, R. (2009): Kindertageseinrichtungen – Sozialräumliche Methoden in der Arbeit mit Kinder, Familien und Nachbarn. In Deinet, U. (Hg.): Methodenbuch Sozialraum. VS Verlag Wiesbaden, S. 165–188.

BMJFFG Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (1990): Achter Jugendbericht. Bonn.

BMFSFJ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2006): Zwölfter Kinder- und Jugendbericht. Berlin.

Botzum, E. (2015): Bildungslandschaft (Kooperationen). In Dittrich, I./Botzum, E. (Hg.): Lexikon Kita-Management, Wolters Kluwer Deutschland GmbH: Köln Kronach, S. 97–99.

Frink, M. (2015a): Sozialräume als Lebenswelten. In Schneider, A./Herzog, S./Kaiser-Hylla, C./Pohlmann, U. (Hg.): Kindertageseinrichtungen. Qualitätsentwicklung im Diskurs. Verlag Barbara Budrich Opladen Berlin Toronto, S. 94–100.

Frink, M. (2015b): Haltung im Kontext von Eltern-, Familien- und Sozialraumorientierung. In Schneider, A./Herzog, S./Kaiser-Hylla, C./Pohlmann, U. (Hg.): Kindertageseinrichtungen: Qualitätsentwicklung im Diskurs. Verlag Barbara Budrich Opladen Berlin Toronto, S. 86–90.

Jares, L. (2014): Die Kita im Stadtteil. Die Bedeutung von Sozialraumorientierung. In Kindergarten heute, 44 (11), S. 30-34.

Schneider, A. (2010): Soziales Managen. Wochenschau Verlag Schwalbach.

Schneider, A. (2015): Kitas öffnen sich. Sozialraum- und Lebensweltorientierung. In Schneider, A. (Hg.): Die Kita als Türöffner – Wege zur Sozialraumöffnung, Cornelsen Berlin, S. 72–85.

Ergänzende Arbeitshilfen

Übersicht: Sozialraumorientierung

Diese Arbeitshilfe gibt Ihnen eine Übersicht über das Thema Sozialraumorientierung. Mit welchen Punkten befasst sich dieses Konzept und wie sind diese umzusetzen? Dokument herunterladen

Konzeptionsentwicklung: Reflexionsfragen zur Vernetzung im Sozialraum

Kitas sind Akteure im Sozialraum. Die Vernetzung mit anderen Institutionen und Personen ist für Sie extrem wichtig. Daher sollten Sie Ihre Haltung zu Kooperations- und Vernetzungsfragen reflektieren und auf dieser Grundlage in Ihrer Konzeption verankern. Dokument herunterladen

Merkblatt: Netzwerkarbeit Frühe Hilfen

Hier erfahren Sie, was die Netzwerkarbeit im Bereich der Frühen Hilfen ausmacht. Welche Qualitätsmerkmale gibt es? Welchen Nutzen hat sie? Und wie kann das Netzwerken möglichst wirksam gestaltet und umgesetzt werden, damit die Familien und Eltern optimal beim Umgang mit den Kleinkindern unterstützt werden können und auch die Anlaufstellen kennen. Dokument herunterladen

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